Therapie - intersektional


Möglichkeiten und Grenzen intersektionalitätsinformierter Therapie und Beratung


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Lessons Learned



UNSERE REFERENT*INNEN WURDEN GEFRAGT:



Welche Kompetenzen / Verhaltensweisen / Techniken braucht es für euch für eine intersektionalitätsinformierte Therapie und Beratung?


Which competencies / Behaviours / Techniques are (in your opinion) required for

intersectionality-informed therapy and counseling?


________


intersektionale Kompetenzen für Therapie und Beratung



Expert*in 1:



Intersektionalitätsinformierte Therapie und Beratung braucht Fachkräfte, die sensibilisiert sind für die Lebenswelt der von Diskriminierung betroffenen Gruppe, die die Perspektive der Betroffenen nachvollziehen können, ohne dabei zu beschämen oder die Diskriminierung in der Therapie selbst zu reproduzieren.


Es braucht Mut, eigene Vorbehalte und eigene Privilegien bei sich selbst kritisch zu reflektieren und mit der damit verbundenen Scham umzugehen.


Es benötigt Psychotherapeut*innen, die bereit sind, sich mit Gesellschaftskritik auseinander zu setzen, die auch über den eigenen Tellerrand hinausschauen und bestehende pathologisierende Strukturen hinterfragen und das durch strukturelle Diskriminierung verursachte Leid nicht individualisieren.


Es benötigt vonseiten der Fachkräfte Feingespür, Offenheit und die Bereitschaft Neues zu lernen und Menschen mit einer offenen Haltung auf Augenhöhe zu begegnen.



Expert*in 2:



Für intersektionalitätsinformierte Therapie und Beratung braucht es:


• Strukturelle Diskriminierung und Kolonialgeschichte müssen in standard curricula aufgenommen werden (sowohl in der Schule, als auch im Studium und der Therapieausbildung)


• Umverteilung der Ressourcen: Bitte keine qualifizierten Fachkräfte umsonst arbeiten lassen um sich selbst zu profilieren


• kostenfreie Kassensitze für Menschen die Bedarfslücken bedienen können


• gesetzlich verplichtende Quote für die Einstellung von Menschen mit Rassismuserfahrungen innerhalb der Psychologie und Psychotherapie



Expert*in 3:



Für intersektionalitätsinformierte Therapie und Beratung müssen wir:


• Privilegien an der Wurzel packen und Ressourcen teilen


• Pluriversität (Mbembe; de Sousa Santos) leben: Diversität von Wissensweisen über "Heilung" im Dialog


• Wellness Justice einführen: ein Wohlbefinden-Budget für jede*n statt kassenkontrollierte Zugänge



Expert*in 4:



Von Peggy Piesche und Katja Kindler (2020) habe ich gelernt, dass diskriminierungskritisches Bildungshandeln in der Dreiheit funktioniert von:


Wahrnehmung – Haltung – Handlung.


Für eine intersektionell informierte Therapie und Beratung bedarf es den Mut, länger bei der eigenen Wahrnehmung zu bleiben. Länger in der Ver-Störung zu bleiben. Die Verstörung nicht sofort auflösen zu wollen mit allzu schnellem Tun, nicht als Schwäche abzutun, sondern ihr nachzuspüren. Noch mehr und mehr Fragen zu stellen und auszuhalten, dass wir (noch) keine Antworten darauf formulieren können.



Expert*in 5:



Für intersektionalitätsinformierte Therapie und Beratung braucht es:


• Die Kompetenz, transparent, respektvoll und wohlwollend zu sein und dies auch im Handeln auszudrücken.


• Die Bereitschaft, sich selbst immer weiter fortzubilden, Neues zu lernen, sich der eigenen Wissenlücken bewusst zu sein.


• Die Fähigkeit, sich zu entschuldigen und mit Misstrauen umzugehen.


• Und die Fähigkeit technische therapeutische Neutralität mit einer diskriminierungssensiblen Handlungspraxis zu verbinden.



Expert*in 6:



Für intersektionalitätsinformierte Therapie und Beratung braucht es:


• Eine Neugierige und achtsame Grundhaltung


• Offenheit für Prozesse, ohne eigenen Erwartungsdruck und Ziel (Ergebnisoffen)


• Im klar benannten Rahmen zu Verfügung zu stehen, sich verwickeln lassen


• Muster / Dynamiken erkennen


• Mut Dinge und Tabus an- und auszusprechen, Spannung aushalten können und klar abgegrenzt sein - ohne die Empathie zu verlieren


• Sich selbst und die eigenen Themen kennen und mitdenken (Übertragung Gegenübertragung), ohne mit ins agieren zu kommen


• Freude und Spaß an der Arbeit mit Menschen und Lebenswelten, die jenseits der eigenen Erfahrungswelt liegen



Expert*in 7:



Intersectionality-informed therapy is simply the therapy that is not structured for white cis men only nor for people who are only coming from the west or global north.


Instead it’s a form of the varying different types of therapy that include many other aspects into the individuals such as: class, race, gender, sexual orientation, skin color, dis\abilities, religion, gender expression, social statues, professional states, languages spoken….etc!


One practical way to put intersectionality into practice is to ask whether the particular health needs of individuals and communities that face overlapping and intersecting forms of oppression are being met.



Expert*in 8:



Für intersektionalitätsinformierte Therapie und Beratung braucht es:


• eine aufmerksame, selbstreflektorische und selbstkritische Haltung


• Privilegienbewusstsein


• Kenntnisse über Mikroaggressionen, strukturelle Diskriminierung und intersektionale Wechselwirkungen von verschiedenen Diskriminierungsformen



Expert*in 9:



Für intersektionalitätsinformierte Therapie und Beratung braucht es:


• ein regelmäßiges Informieren und Weiterbilden über aktuelle rassismuskritische, queer-feministische und anderer diskriminierungssensible Theorien und Praktiken


• ein ständiges Hinterfragen eigener internalisierter Machtsysteme und deren Reproduktion sowie Bewusstmachung eigener Privilegien


• achtsames Zuhören



Expert*in 10:



I could provide a long list for sensibility training regarding several areas of oppression (race, sexuality, gender, disability), but what we also need is that there are more people belonging to oppressed groups providing therapy and care, and for that to happen, we need to remove the barriers in the educational system.


Or we can think outside the box, and think about how to build alternative healing systems that are not hierarchal and absorbed in the capitalistic healthcare system. This is not an easy question to answer and this is why we need more spaces to discuss it together.



Expert*in 11:



Ich würde sagen für intersektionalitätsinformierte Therapie und Beratung braucht es:


• Divers aufgestellte Teams - das erleichtert manche der folgenden Punkte


• Engagement über den Tellerrand hinaus


• Kompetenz im Umgang mit eigenen (Noch-)Nicht-Kompetenzen


• Neugier, Herz & Idealismus


• Gefühlter Rückhalt durch Mitstreitende / Netzwerk


• Und gern gehen in der Praxis tätige Menschen davon aus, dass Empathie selbstverständlich ist. Ich möchte aber doch ergänzen: echte Empathie - vs. „gut gemeint“.



Expert*in 12:



Für intersektionalitätsinformierte Therapie und Beratung braucht es:


WISSEN

• Kenntnisse und Kompetenzen über den Einfluss sozialer Differenzkategorien auf psychische Gesundheit und Therapiekontexte


• Grundsätzlichen Einbezug von Grundwissen struktureller Faktoren in der Ausbildung/Studium/Weiterbildung


• Antidiskriminierungstrainings als Teil der Praxis


HALTUNG

• Grundhaltung mit Empathie, Anerkennung von Erfahrungen, politische Haltung


• Sensibilitätsschulung und Selbstreflexion seitens der Personen die im Beratungs-/Hilfesystem tätig sind


• Verstärkte politische Positionierung


STRUKTUR

• Unabhängige niedrigschwellige Beschwerdemöglichkeiten


• Seitens der Leitung antidiskriminierende Klinikkultur


• Verpflichtendes, berufsbegleitendes Lernen



Expert*in 13:



… es braucht


– nicht nur, aber bestimmt unverzichtbar –


machtkritisches Wissen, Reflexion über eigene Positioniertheit und ein offenes Herz.



Expert*in 14:



Für intersektionalitätsinformierte Therapie und Beratung müssen wir:


• Erfahrungsberichte von Personen mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Positionen ernst nehmen.


• Empowermentsräume außerhalb des therapeutischen Settings aufzeigen und als therapeutisch verstehen, z.B. Räume, in denen Personen sich über ihre Erfahrungen von (struktureller) Gewalt austauschen können und dabei Perspektiven von Menschen unterschiedlicher sozialer Positionen zusammenkommen.



Expert*in 15:



Für Professionelle wären Kompetenzen in der machtbewußten Beziehungsgestaltung sehr wünschenswert.


Dafür benötigen wir ein profundes Verständnis von uns selbst als Teil eines Universums, das offensichtlich, ohne Berücksichtigung unserer humanoiden Interpretationen, Raum für evolutionäre Prozesse hält...


Ob wir die Grundsätze unseres Daseins überhaupt begreifen können?



Expert*in 16:



Für intersektionalitätsinformierte Therapie und Beratung braucht es meiner Meinung nach mehr Mut:


• den Prozess kontra-intuitiver zu gestalten


• mehr auf der Gedankenebene neue Vorstellungen suchen


• dabei vorsichtig und eventuell auch entgegen den „reinen Lehren“ Informationen zu streuen und anzutesten, welche Erleichterung sie bringen können


Dazu braucht es eine bedingungslose Anerkennung meines Gegenübers und ein Gespür dafür wann die eigenen Fragen ein „Othering“ Gefühl bei der anderen Person auslösen.


Bei der eigenen Suche nach Wissen, ist meiner Erfahrung nach Wissen zu interkultureller Kommunikation – hier bewusst abgegrenzt von dem Begriff Sozialisation – immer dann hilfreich, wenn a) ich einen dynamischen Kulturbegriff in mir verankert habe und mich selbst immer wieder dahin orientieren kann und b) mit einem eventuell geschlossen wirkenden Kulturbegriff von Seiten der ratsuchenden Person ressourcenorientiert navigieren kann.



Expert*in 17:



Ich würde sagen für intersektionalitätsinformierte Therapie und Beratung braucht es:


• Kompetenz: Die eigenen Möglichkeiten und Grenzen des eigenen Handelns erkennen o. Handeln im Sinne von Intersektionalität ist nicht (alleine) eine Kompetenz, sondern v.a. auch eine Haltung.


• Verhaltensweisen: Die eigenen (De-)Privilegien & Vorurteile verlernen und lernen und insbesondere dort die eigene (Handlungs-)Macht teilen, wo es möglich ist. Eigene Abwehrmechanismen bei Hinweisen auf Diskriminierung erkennen und abbauen.


• Techniken: Allyship ist eine Technik, die alle Menschen beherrschen sollten. Dabei geht es um Zuhören, Kompromisse und Teilen von Macht und Privilegien sowie diskriminierende Erfahrungen erkennen, reflektieren, abbauen. Abbauen auf allen Ebenen.



Expert*in 18:



Für intersektionalitätsinformierte Therapie und Beratung braucht es:


• Ein fluides Verständnis von intersektionalen Privilegierungs- und Diskriminierungserfahrungen über zeitlich-historische, geopolitische Kontexte hinweg


• geschichtspolitisches Kontextwissen über meinen Arbeitsort inkl. Verantwortlichkeiten der eigenen Person, Familienbaum, Region, Bundesregierung

-> für Sensibilität + intersektionales Privilegienbewusstsein + Handlungsspielräume


• geschichtspolitisches Kontextwissen über meine fachliche Disziplin inkl. Verantwortlichkeiten

-> für Veränderungswünsche und eigenes Engagement z.B. Entstigmatisierung Diagnosemanuale


• Eine klare Positionierung gegen soziale Ungerechtigkeiten

-> #Allyship, #Agency, #Utopie, #Teilhabe, #Zeug*innenschaft, #Affirmation


• Eine Bereitschaft zur intersektionalen therapeutischen Selbstoffenbarung


• Offenheit, Prozessorientiertheit, Neugierde, Vertrauensvorschuss


• Interkulturelles Wissen über diverse Lebensrealitäten – auch um die eigene therapeutische Rolle adapieren zu können (#Selbstreflektion, #Weiterbildung)


• Barrierearmut der Therapieangebote und Therapieräume


Wir müssen:


• Vulnerabilitäten als Stärke sehen – Ressourcenorientiertheit


• Individuelle, strukturelle und diskursive gesellschaftspolitische Ebenen zusammendenken, aber dabei die Gewichtung dieser Ebenen bei Ungleichheitserfahrungen den Klient*innen überlassen



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